Ein fieses Ziehen im Oberschenkel reißt mich aus meinem genüsslichen Schlaf. Langsam dämmere ich in die Wirklichkeit. Als ich meine Augen schlaftrunken öffne, bekomme ich einen Schreck: Direkt über meinem Gesicht schwebt ein haariges Gesicht mit einem Schnurbart, breit grinsend. Ich schüttele den Kopf. Mein Blick wird klarer, doch das Monstrum verschwindet nicht. Nun erkenne ich es endlich: Eine Katze hat es sich auf meinem Brustkorb bequem gemacht.
Ich grunze ein lautes „Ey!“ und will das Katzenvieh mit meiner Hand verscheuchen. Doch kaum versuche ich, meinen Arm anzuheben, beginnen meine Muskeln fürchterlich zu brennen. Die Katze kichert leise: „Daraus wird wohl heute nichts!“
Ich seufze. „Lass mich raten: Du bist der Muskelkater?“, murmele ich leise.
Ich versuche meinen Oberkörper hochzudrücken, um mich irgendwie aus dem Bett zu hieven. Doch ein Donnerwetter der Schmerzen ist die Antwort. Selbst an der gut gepolsterten Stelle um den Bauch, wo ich eigentlich immer nur einen Ring aus Fettschwabbel vermutet hatte, fängt es plötzlich an zu ziehen.
„Ja, mein Ruf geht mir voraus. Die meisten Menschen erkennen mich, noch bevor ich das erste Wort gesagt habe. Es ist also nicht verwunderlich, dass ich im letzten Jahr Platz eins der unbeliebtesten Plagegeistern belegte, noch vor dem starken Tobak, dem Herzkasper und dem Zipperlein.“
„Unbeliebt? Das glaube ich dir gerne! Einen Schönheitswettbewerb hättest du ja wohl kaum gewonnen“, schnaube ich und mustere ihn verächtlich. Bereits diese knappen Kopfbewegungen schmerzen, denn mein Nacken ist total verspannt.
Das Grinsen des Katers verschwindet. „Was meinst du damit?“, fragt er und ich spüre seine Krallen durch meinen Schlafanzug.
„Ich habe mir einen MUSKEL-Kater immer anders vorgestellt. Schau dich doch mal an!“, beginne ich meine Ausführungen. „Du hast du wirklich ein paar Packungen Sheba zu viel gegessen. Deine Plauze ist zum Bersten gespannt. Bist du schwanger oder einfach nur aus der Form gelaufen?“
Der Kater faucht, macht einen Buckel und seine Krallen bohren sich nun durch den Stoff meines Schlafanzugs in meine Haut. Er schreit: „Ich habe den Schwarzen Dan im Stubentiger-Stil, gewann den goldenen Pokal beim ‚International Pussy Show Dance‘, war unter den ersten zehn beim „Iron Cat Miezathlon“, war dreifacher Sieger bei den Weltmeisterschaften im Samtpfoten-Drücken und war Bester im ultimativen Krallenhakeln!“
„War“, schnaube ich lässig, als würde ich zu mir selbst reden.
„Was meinst du damit?!“, fauchte der Kater.
„Du WARST Meister im Katzen Kung Fu und hast sicherlich auch schon Wettbewerbe im Tanzen und Rangeln gewonnen. Aber in deiner aktuellen Situation schaffst du doch keine fünf Liegestütze. Dafür hast du in letzter Zeit zu oft Whiskas mit Whiskey verwechselt!“, schreie ich zurück. Schlimm genug, dass irgendwelche Tiere und Fabelwesen plötzlich auftauchten und mit mir redeten, aber warum mussten sie mich jetzt auch noch anschreien?
Fuchsteufelswild springt der Kater von meinem Oberkörper auf den Boden neben das Bett. Er steht auf allen vier Pfoten und versucht seine Arme einzuknicken, um einen Liegestütz zu machen. Doch sein Bauch berührt bereits den Boden, er kommt nicht tiefer. Das war wohl nix.
„Ganz wie ich vermutet hatte. Von nischts kommt nischts – wie man so schön sagt“, schütte ich noch etwas Öl ins Feuer und rappele mich hoch. Mein Hintern sticht, der untere Rückenbereich zwickt und meine Arme brennen. Der Kater rollt sich zusammen und sein Gesicht verschwindet hinter den Pfoten. Ich glaube, er weint. Da tut es mir auf einmal leid, dass ich so fies war.
„Komm schon, Katerchen! Das ist doch nichts, was sich nicht reparieren lässt“, versuche ich ihn aufzubauen und steige aus dem Bett. Der Kater ist einziges, zitterndes Wollknäuel. Ich setze mich zu ihm runter und kraule ihm den Kopf. Er wimmert leise.
„Wir können doch zusammen trainieren“, schlage ich vor. Soweit ist es also schon, ich werde zum Katzenseelsorger. Allerdings kein besonders guter, denn ich höre das Katzenknäuel weiter weinen.
„Was hältst du davon, wenn du mein Superhelden-Partner wirst?“, beginne ich zu feilschen. „Ich meine, jeder Batman braucht seinen Robin, jeder Tim seinen Struppi und …“
„Und du brauchst einen Muskelkater?“, beendet er meinen Satz und streckt den Kopf zu mir empor.
„Ganz genau. Wie soll ich sonst die ganzen Fitness-Abenteuer bestehen, die noch vor mir liegen?“, antworte ich und beginne mich dabei zu fragen, ob das ein guter Deal ist, den ich da gerade eingehe.
„Ohne mich bist du sozusagen nur ein halber Superheld“, überlegt der Kater. Er steht auf und scharwenzelt um mich herum. „Ja, mit diesem Angebot könnte ich mich abfinden“, antwortet er schließlich und reicht mir seine Pfote. Ich schlage ein. Auch wenn ich glaube, dass ich gerade in eine Falle getappt bin.
„Wann fangen wir an zu trainieren?“, fragt der Kater zackig wie ein General.
„Heute würde ich gerne ein Tag aussetzen“, murmele ich leise. Doch mein neuer Partner zeigt kein Mitleid: „Von nischts kommt nischts – oder wie sagt man doch so schön? Zieh dich an, wir gehen eine Runde laufen“, sagt er streng und geht, ohne eine Antwort abzuwarten, aus dem Raum.
Sprachlos schaue ich dem Kater hinterher. Hatte ich gerade einen Vertrag mit dem Teufel unterzeichnet? Es traf mich wie ein Blitz, als mir klar wurde, dass der Muskelkater in den kommenden Monaten nicht von meiner Seite weichen würde.