Leise schlichen sich Fiesolin, der Osterhase und Lümmel an das Haus des gemeinen Bauern Runkel. Bereits von weitem sahen sie Licht durch eines der Fenster scheinen. Als sie näher kamen, hörten sie die gedämpfte Stimme des Bauern.
„Schau sie dir an, Leon! So ein prächtiges Huhn habe ich noch nie gesehen. Hmm… wer weiß, vielleicht ist es auch ein Papagei. Wie auch immer, ich werde sie für viel Geld verkaufen. Und wenn ich kräftig belohnt werde, dann kaufe ich dir einen leckeren Knochen!“ Sie hörten ein Bellen, das Lümmel durch Mark und Bein ging. Er erkannte die Stimme wieder. Das war der gefährliche Hund, der ihn heute Morgen ins Bein gebissen hatte.
Inzwischen standen sie unter dem Fenster, konnten die Stimmen deutlich hören, sahen aber nicht, was im Zimmer vor sich ging. Fiesolin streckte seinen Kopf Richtung Fenster. Er war groß genug, um einen Blick zu erhaschen. Plötzlich erstarrte Sein Gesicht. „Was siehst du?“, fragte der Hase. Doch der Fuchs antwortete nicht.
Er sah wie Bauer Runkel zusammen mit seinem Hund Leon um einen Tisch stand. In der Mitte stand ein Käfig, in dem das bunte Huhn eingesperrt war. Die Krallen und die Flügelspitzen ragten zwischen den Stäben hindurch, so wenig Platz hatte Hella. Doch viel mehr als dieser Anblick, war er schockiert von der grässlichen Wanddekoration. Die ausgestopften Köpfe von anmutigen Füchsen und anderen Tieren des Waldes hingen an den Wänden. Er hatte sie alle gejagt.
Fiesolin war außer sich vor Wut. Und ohne es wirklich zu wollen, entfuhr ihm ein lautes Heulen. Umso überraschter war er schließlich, als der Bauer und der Hund sich plötzlich in seine Richtung drehten und ihn anstarrten. Der Bauer fand als erstes seine Fassung wieder. „Leon, schnapp dir den dreckigen Fuchs!“, schrie er seinem Hund zu, der wie von der Tarantel gestochen aus dem Zimmer schoss. Lümmel erschrak und hob wie ein aufgescheuchtes Pferd seine Vorderbeine. Der Osterhase konnte sich nun nicht mehr auf seinem Rücken halte und plumpste in den Schnee. Es dauerte keine drei Atemzüge, da schoss der riesige Wachhund Leon um die Ecke des Hauses und bäumte sich vor ihnen auf. Er war größer als Fiesolin. Seine Zähne blitzten allerdings mindestens ebenso furchterregend.
Der Fuchs rannte los, ohne an seine anderen Begleiter zu denken. Lümmel suchte panisch nach Meister Lampe, doch er konnte ihn nicht entdecken. Leon kam immer näher und fletschte seine Zähne. Da begann auch Lümmel zu flüchten. Wenn er jetzt los rannte, würde der Hund ihm folgen und den Hasen sicherlich nicht bemerken. Mit lautem Gebell jagte der Hund hinter ihnen her. Lümmel japste bereits und seine Verletzung von heute Morgen schmerzte sehr. Lange würde er diese Verfolgungsjagd nicht durchhalten. Am Horizont sah er wie sich ein dicker Nebelschleier um den See legte. Er musste es bis dorthin schaffen, damit Leon seine Spur verliert.
Der Osterhase wühlte sich indes aus dem Schnee. Er sah das Lamm, den Fuchs und ihren Verfolger in der Ferne über das Feld jagen. Sie hatten den See fast erreicht. Er musste ihnen folgen. Plötzlich hörte er ein rhythmisches Knirschen. Jemand stapfte durch den Schnee. Der Osterhase hoppelte ums Haus und erkannte Runkel, der mit einer Schrotflinte in der Hand auf einen Traktor stieg. Das Herz des alten Hasen schlug so laut wie die Kirchenglocken. Er musste Lümmel helfen. Und auch Fiesolin hatte es nicht verdient, an einer Wand zu enden. Der Osterhase kniff die Augen zusammen und hoppelte blitzschnell zum Traktor. Er nahm Anlauf, hüpfte auf den Reifen, hörte den lauten Krach des startenden Motors, zog sich weiter nach oben und während sich das Gefährt in Bewegung setzte, machte er einen riesigen Satz auf das Dach. Von hier oben sah er wie Runkel die Verfolgungsjagd aufnahm.
Es war inzwischen dämmrig geworden und so fiel es dem Osterhasen schwer, seine Freunde im Nebel zu entdecken. Als sie den See erreicht hatten, entdeckte er den Fuchs und den Hund auf einem Steg, wie sie einen erbitterten Zweikampf führten. Jemand jaulte, ein anderer johlte. Schließlich sah er auch Lümmel, der unweit hinter ihnen stand und sich ganz klein machte. Er zitterte am ganzen Leib. Der Traktor hatte den Steg fast erreicht, als er abrupt stoppte. Mit großer Mühe konnte sich der Hase auf dem Dach festhalten. Runkel stieg aus, hob seine Flinte und zielte auf die Tiere. Peng. Ein erster Schuss verfehlte Lümmel nur knapp. Dem Osterhasen wurden ganz schwindlig. Er musste etwas tun. Mit einem Sprung hechtete er auf den Boden. Er musste Runkel irgendwie ablenken? Aber wie konnte das gehen. Ein großer Wackerstein ragte direkt vor seinen Augen aus der Schneedecke. Das war es! Er rannte zum Stein, zerrte ihn mit aller Kraft zum Traktor, wuchtete ihn in den Wagen und kippte ihn gegen das Gaspedal. Ein lautes Quietschen war zu hören, die Räder drehten sich durch und der Wagen setzte sich ohne den Bauern wieder in Bewegung. Der Hase sprang schnell aus der offenen Tür und sah dem Traktor hinterher, der sich auf den See zu bewegte. Runkel war für einen Augenblick wie erstarrt, als er den führerlosen Wagen auf den See zu fahren sah. Er stieß laute Verwünschungen aus und stapfte schnell durch den Schnee seinen Traktor hinterher.
Für einen Augenblick hatten auch Fiesolin und Leon in ihrem Kampf innegehalten und verwundert zum Traktor und dem dahinter her rennenden Bauern zu sehen. Der Wachhund nutzte die kurze Unachtsamkeit seines Gegners und biss dem Fuchs in den Schwanz. Ein gellender Schrei war zu hören. Fiesolin fiel kurz zu Boden, richtete sich aber schnell wieder auf und schlug mit seinen Tatzen um sich, wie eine Mutter, die ihr Junges beschützte. Der Hase konnte es von weitem sehen. Leon hatte dem Fuchs ein Stück Schwanz abgebissen.
