MODERATOR: Herzlich willkommen zum Debütanten-Talk. Unser heutiger Gast: Karin Wilhelm. Die 34-jährige Jungautorin hat bereits erste Schritte in die Welt des Schreibens gewagt: 2014 kam es zur Veröffentlichung des Kinderbuchs „Weihnachten mit Madame Maus“ im Papierfresserchens MTM-Verlag, 2015 erschien die Tragikomödie „Die Notaufnahme“ im adspecta Verlag. Auf ihrem Blog kwerdenkerin.de veröffentlicht die selbst ernannte Geschichtenerzählerin Kreativprojekte und Erzählungen. Im Mai hat sie das Fernstudium der Textmanufaktur begonnen und heute ist sie bei uns, um über das Schreiben zu reden. Schön, dass du hier bist!
DEBÜTANT: Danke, für die Einladung!
MODERATOR: Karin, damit wir einen ersten Eindruck von dir bekommen: In welchem Genre verortest du dich?
DEBÜTANT: Gleich so eine schwere Frage am Anfang. (Lacht.) Das kann ich gar nicht so einfach beantworten, denn da bin ich schlichtweg noch auf der Suche. Grundsätzlich schreibe ich gerne Fantasiegeschichten. Das bedeutet, dass ich fantastische Wesen als Protagonisten habe, wie beispielsweise das Mausemonster. Auch bei Gegenwartsgeschichten nutze ich oftmals eine verspielte Sprache und bildhafte Beschreibungen. Viele verwechseln das mit Kindergeschichten, doch meine Zielgruppe sind eher die Erwachsenen. Schließlich interessieren mich auch ernsthafte Themen wie die Rolle der Arbeit heute oder wie sich Politik entwickelt. Diese würde ich gerne in einem Roman-Projekt einfließen lassen, doch das war mir bisher zu komplex. Für eine Geschichte mit mehreren hundert Seiten fehlt mir aktuell das Know-How. Deswegen habe ich mich auch bei der Textmanufaktur angemeldet.
Eins weiß ich allerdings bereits jetzt: Ich werde keine intellektuelle Literatur verfassen. Einzig und allein für die Elite schreiben, das ist nichts für mich. Ganz im Gegenteil: Ich will Geschichten erzählen, mit denen jeder etwas anfangen kann.
MODERATOR: Okay, die Genre-Frage ist für Debütanten wirklich schwer. Nähern wir uns anders an. Wer sind denn deine literarischen Vorbilder?
DEBÜTANT: (Überlegt kurz.) Haruki Murakami: Er kann seitenweise über Alltägliches und scheinbar Belangloses Schreiben und ich als Leser habe meine Freude daran. Cornelia Funke: Sie hat spannende Fantasiewelten erschaffen und Literatur für Jugendliche kreiert, die auch Erwachsene gerne lesen. Andreas Eschenbach: Mir imponiert wie ein deutscher Autor sich auf dem Buchmarkt durchsetzt.
MODERATOR: Apropos Buchmarkt, wie sieht es da bei dir aus? Dein erstes Buchprojekt hieß »Weihnachten mit Madame Maus« – Was steckt dahinter?
DEBÜTANT: Das ist eine längere Geschichte.
MODERATOR: Mach dir keine Sorgen. Wir haben noch ausreichend Sendezeit. (Lacht.)
DEBÜTANT: Na, dann kann ich ja ausholen: Ich hatte im Dezember 2012 auf meinen Blog eine Weihnachtsgeschichte mit 24 Kapiteln veröffentlicht. Jeden Tag erschien ein neuer Post, sodass meine Leser täglich eine neues »Text-Türchen« öffnen konnten. Einem Freund gefiel das und er brachte mich mit einer Illustratorin zusammen. Gemeinsam entwickelten wir die Idee, die Geschichte als Buch herauszubringen. Wir hatten vermeintlich alle Fähigkeiten dafür: eine Autorin, eine Illustratorin, einen Grafiker und einen Projektmanager. Das Projekt wollten wir über »Crowdfunding« finanzieren. Doch damit scheiterten wir hoffnungslos. (Lacht.)
MODERATION: Erklär uns doch kurz einmal, was »Crowdfunding« ist.
DEBÜTANT: Klar. Das ist ein Finanzierungskonzept zum Beispiel für jemanden, der eine Erfindung realisieren, oder ein Autor, der ohne Verlag ein Buch herausbringen will. Sie alle brauchen Geld für die Produktion. Deswegen stellen sie ihre Ideen auf einem Online-Portal vor und suchen finanzielle Unterstützer, die bei Erfolg ideelle oder materielle Geschenke bekommen. Wird eine Mindestsumme erreicht, ist das Projekt erfolgreich. Und genau das war bei uns leider nicht der Fall.
Zum einem glaube ich inzwischen, dass es gar nicht so einfach ist, Buchprojekte über eine Online-Community zu finanzieren. Zum anderen wollten wir im August Menschen für eine Weihnachtsgeschichte begeistern – das war schon mächtig bekloppt. Doch nachdem wir das Projekt abgeschrieben hatten, bekam ich einen Brief vom Papierfresserchens MTM-Verlag, dass sie die Geschichte gerne bringen würden. Zwar überzeugte der Verlag nicht wirklich, aber ich unterschrieb den Vertrag, weil das Projekt sonst versandet wäre und das wäre doch schade gewesen. Die erste Zusammenarbeit mit einem Verlag war dann enttäuschender als erwartet: Lektorat und Beratung gleich null, somit auch kein Lerneffekt. Außerdem blieb die ganze Pressearbeit und Direktvermarktung an uns hängen und ich klapperte mit meinem Mann sämtliche Weihnachtsmärkte der Region ab, um ein paar Bücher zu verkaufen. Fairerweise muss ich sagen: Das war trotzdem eine spannende Erfahrung. So einen direkten Kontakt zu meinen Lesern hatte ich noch nie. Allerdings hat es den deutschen Buchmarkt nicht gerade eruptiert. (Lacht.)
MODERATOR: Wie sah es denn dann 2015 mit dem Stück »Die Notaufnahme« aus?
DEBÜTANT: (Lacht.) Ähnlich. Aber die Geschichte dazu ist kürzer: Mein Mann hat sich das Fersenbein gebrochen und wir durften einen ganzen Samstag in einer Notaufnahme verbringen, wo es katastrophal zuging. Das hat mich dermaßen bewegt, dass ich ein Theaterstück geschrieben habe. Den Text habe ich dann zum »Sauerländer Theaterwettbewerb« eingereicht und bin damit unter die ersten zehn gekommen. Deswegen ist das Stück im Programm des adspecta Verlags aufgenommen – aber ich sag es gleich: Auch das Projekt ging nicht durch die Decke. (Lacht.)
MODERATOR: Dann reden wir am besten Mal über deine Zukunft: Du hast im Mai 2017 das Fernstudium bei der Textmanufaktur begonnen. Was hat dich motiviert? Ist jetzt der Zeitpunkt, um durch die Decke zu gehen?
DEBÜTANT: Auf jeden Fall! Der Raketenmotor ist schon angeschmissen. Nein, im Ernst: Für das Fernstudium habe ich mich entschieden, weil ich es satt habe, im eigenen Saft zu schmoren. Ich will einen Qualitätssprung schaffen. Allen voran will ich meine sprachlichen Fähigkeiten verbessern. Deswegen freue ich mich besonders auf die Arbeit mit einem Lektor, der meine Schwächen aufdeckt und mir hilft, mich ihnen zu stellen. Ganz oft weiß man ja, dass der eigene Text nicht der Brüller ist, aber es ist echt schwer, zu sagen, woran das liegt. Und wenn man eine Idee hat, warum der Text niemanden fesselt, dann heißt das nicht zwangsläufig, dass man es ändern kann. Ich verspreche mir also viel vom Austausch mit einem Profi.
Außerdem sehe ich die Chance, begleitend zum Studium ein Projekt zu entwickeln. Das hat zwei Vorteile: Zum einem hoffe ich, die Theorie der Skripte auf den praktischen Text direkt anzuwenden. Darüber hinaus bleibe ich besser am Ball, wenn ich jeden Monat an meine »Schreibhausaufgaben« erinnert werde. Offen gesagt, fallen meine Projekte schnell mal hinten runter, wenn das Leben dazwischen kommt. Aber ich arbeite an der Disziplin und dem Durchhaltevermögen, regelmäßig zu schreiben.
Ein letzter wichtiger Punkt: Ich will etwas mehr über den Buchmarkt erfahren. Ich habe keine Ahnung, wie ein knalliges Exposé aussieht und wie ein Manuskript seinen Weg auf den richtigen Schreibtisch findet. Bei der Vermarktung meiner Geschichten und Bücher bin ich eine echte Null. Da jeder Text immer noch besser sein kann, fällt es mir unglaublich schwer, ihn überhaupt in den Ring zu werfen.
MODERATOR: Schönes Stichwort: Was sind denn deine Schwächen?
DEBÜTANT: Das Verkürzen von Situationen fällt mir schwer. Ich habe häufig das Bedürfnis alles zu beschreiben, und weiß oftmals nicht, was ich wie auslassen kann. Perspektiven wähle ich immer aus dem Bauch heraus. So wie ich grundsätzlich sehr intuitiv schreibe und mir beispielsweise über Zeitkonzepte noch nie tiefere Gedanken gemacht habe.
Und nicht zuletzt: Ich bin eine geborene Thüringerin und deswegen bin ich heute noch unsicher, ob es »wurden« oder »worden« heißt. (Seufzt laut.) Die Frage, ob der Dativ oder der Akkusativ ein »n« oder »m« verlangen, nehmen wir auch nicht so genau. Aber immerhin schreibe ich nicht mehr »Ambrot« oder »Reinfolge«. (Lacht.)
MODERATION: Das klingt doch schon nach tollen Erfolgen! (Lacht.) Was hast du sonst noch gelernt? Was kannst du gut?
DEBÜTANT: Geschichten ausdenken geht mir recht flott von der Hand. Ich habe bereits einiges darüber gelesen, wie ich Konflikte erschaffe oder Personen authentisch wirken lassen. Aber auch da kann ich immer noch was lernen, ganz klar.
MODERATOR: Zu deinem beruflichen Werdegang: Du hast in Trier Geschichts- und Politikwissenschaften studiert, ein Auslandsjahr an einer Uni in Bordeaux, dann ein Volontariat in der PR-Abteilung am Badischen Landesmuseum. Heute bist du Geschäftsleitung einer PR-Agentur in Bonn. Welche Rolle nimmt das Schreiben in deinem Berufsleben ein?
DEBÜTANT: Um ehrlich zu sein, viel zu wenig. In der Agentur bin ich zwar diejenige, die gerne und häufig Konzepte oder Pressemitteilungen schreibt. Aber die orientieren sich immer sehr stark am Absender und weil wir für Ministerien arbeiten, sind die ganz oft unspektakulär oder schlimmer: verklausuliert und schwammig. Wir lektorieren auch zahlreiche Publikationen und ich lerne somit regelmäßig noch einiges über die Feinheiten von Rechtschreibung und Grammatik. Raum für fantasievolle oder wenigstens originelle Texte muss man sich jedoch hart erarbeiten.
MODERATOR: Wie sieht es aus mit deiner Freizeit? Du sagtest vorhin, dass du Probleme hast, Zeit zum Schreiben zu finden?
DEBÜTANT: Sagen wir, es bieten sich viele Ablenkungen im Leben. (Lacht.) Meine Strategie ist es inzwischen, Freizeitprojekte zu Schreibprojekte zu machen. Bestes Beispiel: Mein Mann setzte sich in den Kopf, an einem Hindernislauf teilzunehmen, und ich ließ mich breitschlagen, mitzumachen. Ein halbes Jahr drehten sich alle Aktivitäten und Gespräche nur noch um Sport. Wie hoch konnten wir klettern, wie tief sind wir im Schlamm eingesunken und wie viele Kilometer sind wir gelaufen? Perfektes Futter für den Blog. Unter dem Titel »Madame Maus und die Schlammduscher« berichtete ich regelmäßig von unseren Erlebnissen. Und da sich alles sehr heroisch anfühlte – das scheint das Robben im Schlamm automatisch mit sich zu bringen – entwickelte ich eine Superheldengeschichte. Die fiesen Gegner in dieser Geschichte waren der Muskelkater, der inneren Schweinehund und der Mummelratz – eine Figur, die für die eigene Angst steht. Das hat mächtig Spaß gemacht! Momentan bin ich auf der Suche nach einem neuen Thema für den Blog und hoffe, bald wieder etwas Ähnliches zu finden.
MODERATOR: Dann ist Spaß deine Motivation am Schreiben?
DEBÜTANT: Klar, Schreiben macht irre Spaß! Ich bin mit viel Fantasie gesegnet und liebe es, in Geschichten einzutauchen. Diese Spinnereien dann in Worten festzuhalten, ist aufregend, wenngleich auch anstrengend. Und wenn andere diese Texte dann lesen und dabei ihre Freude haben, dann ist das einfach nur genial. Als »Weihnachten mit Madame Maus« erschien, machte ich eine Wohnzimmerlesung mit allen Nachbarn, Freunden und deren Kindern. Über 40 Leute mit Glühwein und Keksen, die Hütte war voll und dennoch war es superleise, denn alle hörten meiner Geschichte zu. Sie gingen mit Madame Maus, dem Knutschelch und den Schlemmerbären auf Abenteuerreise – wow, das war großartig! Ich will mehr davon!
MODERATION: Das kann man gut verstehen. Dann lass uns zum Abschluss noch einmal konkret werden: Was steht jetzt an?
DEBÜTANT: Die Ideenkiste ist gefüllt. Ich überlege beispielsweise, ob ich eine Fortsetzung von Madame Maus schreibe. Der erste Teil spielt viel mit unseren Weihnachtstraditionen und das würde ich gerne auf den russischen Kulturraum übertragen. Dann würde Madame Maus ihrem Cousin Mausrowski helfen, weil Väterchen Frost verschwunden ist und zu Weihnachten kein Schnee fällt.
Außerdem habe ich noch eine Novelle »Hamsterrad« geschrieben. Es geht um die Bedeutung von Arbeit, den Umgang mit Leistungsdruck und die Frage, wie wir unser Leben gestalten wollen. Ich habe mich gefragt, ob ich den Stoff veröffentlicht bekomme.
Zuletzt habe ich noch eine Idee von einer Fantasy-Geschichte, bei der es um die vier Elemente geht, die ganz klassisch gegen das Böse kämpfen. Ich könnte mir vorstellen, das Projekt parallel zum Fernstudium zu entwickeln. Aber ich warte die nächsten Skripte ab.
MODERATION: An dieser Stelle darf ich also zusammenfassen: Die Ideenkiste ist gefüllt und der Raketenmotor einsatzbereit. Na, dann kann ja nichts mehr schief gehen! Das war Karin Wilhelm beim Debütanten-Talk. Vielen Dank für das Interview und noch viel Erfolg!
DEBÜTANT: Besten Dank!